Hohe Bauzinsen, anhaltende Inflation, sinkende Förderbudgets und verschärfte energetische Anforderungen lähmen aktuell den Wohnungsbau in Deutschland. Noch zehren die Unternehmerinnen und Unternehmer von den Auftragsbeständen der Vorjahre. Aber der Druck wächst, den Beschäftigungsstand zu halten. Dabei gäbe es wahrlich genug Bauaufgaben – allein, die Aufträge bleiben aus.
Felix Pakleppa
Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe
Erstmals seit sieben Jahren ist die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Baugewerbe wieder zurückgegangen.
Man darf nicht vergessen: Das Bauhauptgewerbe hat seine Personalzahlen seit 2009 um rund 25 % aufgestockt und stellte in den vergangenen zwölf Jahren rund 200.000 Beschäftigte neu ein. Und das in einer Zeit, in der immer mehr Fachkräfte in Rente gehen. Auch die Zahl der Auszubildenden ist in den letzten Jahren um 25 % gestiegen. Die schlechte Konjunktur schlägt sich aber nun auch auf die Ausbildungszahlen nieder. Erstmals seit sieben Jahren ist Anfang 2023 die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Baugewerbe wieder zurückgegangen (minus 2,1 %). Dabei sind einige Ausbildungsberufe des Bauhauptgewerbes in den Top Ten der bestbezahlten Ausbildungen. In der aktuell schwierigen Situation heißt es jetzt gegensteuern. Sonst geraten früher oder später die Leistungsfähigkeit der Branche und damit auch wichtige gesellschaftspolitische Megaaufgaben in Gefahr, wie Schaffung von Wohnraum und Infrastruktur oder die energetische Sanierung.
Branche und Politik sind beide gefragt
Ein positives Signal der Politik an Bauwillige und Branche ist jetzt so wichtig wie lange nicht mehr: Beispielsweise eine höhere Darlehensgewährung und Zinsstütze durch die KfW-Bank, ein reduzierter Mehrwertsteuersatz oder Grunderwerbssteuer. Aber auch die energetisch ambitionierten Anforderungen und die entsprechende Förderung müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, sonst fehlen uns morgen die Fachkräfte für die anstehenden Bauaufgaben.
Immerhin gehen die Neuregelungen zur Fachkräfteeinwanderung in die richtige Richtung, auch wenn sie noch immer zu kurz greifen. Der Praxischeck wird bald zeigen, dass nachgesteuert werden muss. Bestanden hat diesen Check schon die WestbalkanRegelung, die von der Ampelkoalition entfristet wurde.
Bei allen anderen Zuwanderungsmöglichkeiten sind die formellen Hürden immer noch zu hoch. Natürlich ist die Branche auch selbst gefragt und macht ihre Hausaufgaben, um attraktiver zu werden. So ist sie eine der wenigen Branchen in Deutschland, die all ihren Beschäftigten eine zusätzliche, obligatorische und arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge neben der Rente anbietet. Die Zahl der Arbeitsunfälle geht zurück und die große Mehrheit der Bauarbeiter muss längst nicht mehr gesundheitsbedingt in Frührente gehen.
Der Branche gelingt es, auch weibliche Fachkräfte zu gewinnen, wobei dies im Bereich der klassischen Baustellentätigkeit immer noch nicht im gewünschten Umfang realisiert werden kann. Offenbar ist die Baubranche mit ihren guten Einkommens- und Karrieremöglichkeiten für viele Frauen immer noch nicht attraktiv genug. Da geht noch mehr.