Sabine Drewes, Referentin Kommunalpolitik und Stadtentwicklung der Heinrich-Böll-Stiftung, erklärt im Interview mit uns, welche Chancen die kommunale Wärmeplanung mit sich bringt und weshalb diese zu einer Pflichtaufgabe für eine sichere und zukunftsfähige Wärmeversorgung wird.
Sabine Drewes
Referentin Kommunalpolitik und Stadtentwicklung der Heinrich‑Böll‑Stiftung
Frau Drewes, seit dem 1. Januar 2024 ist das Heizungsgesetz offiziell in Kraft, den Rahmen dafür setzt das Wärmeplanungsgesetz. Welche Chancen birgt die Wärmeplanung für Kommunen, Netzbetreiber und Bürger?
Das Wärmeplanungsgesetz gibt dem Umbau des Wärmesektors Orientierung. Nur der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien beendet die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und gewährleistet mittelfristig stabile Energiepreise. Die beiden Gesetze sind aber auch die praktische Konsequenz aus dem Klimaschutzgesetz, das 2021 verschärft wurde. Es sieht vor, dass Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sein muss und folglich ab diesem Zeitpunkt keine fossilen Heizungen mehr betrieben werden dürfen.
Gefragt sind zunächst die Kommunen – sie müssen den Prozess koordinieren und steuern. Die Wärmeplanung wird – nach Umsetzung durch die Länder – zu einer kommunalen Pflichtaufgabe, um einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge zu gewährleisten, nämlich eine sichere und zukunftsfähige Wärmeversorgung.
Das Ziel ist die Frage zu beantworten, ob bestimmte Gebiete in der Kommune sich für den Wärmenetzausbau eignen.
Zu Beginn des Prozesses sollte die Kommune sich fragen, ob sie einen Akteur hat, mit dem sie neue regenerative Wärmenetze umsetzen kann. Häufig sind das die rund 1.000 Stadtwerke oder regionalen Energieversorger, die den konsequenten Umbau der Wärmeinfrastrukturen in Richtung Klimaneutralität anstreben sollten. Hat die Kommune kein eigenes Stadtwerk, bietet es sich an mit einer Genossenschaft zusammenzuarbeiten.
Alternativ kann die Kommune eine eigene Wärmenetzgesellschaft gründen, die explizit keine oder nur geringe Renditeerwartungen hat. Denn neue regenerative Wärmenetze sind besonders zu Beginn keine Cashcows. Sie zahlen sich durch langfristigen Betrieb und geringe Wartungs- und Reparaturkosten aus.
Dossier Wärmewende, Beispiel Hürup
Foto: Stephan Röhl
Wenn ein Gebiet sich nicht für den Wärmenetzausbau eignet, lohnt es für die Bürger, sich frühzeitig mit dezentralen erneuerbaren Heizungen auseinanderzusetzen. So wird Planungssicherheit geschaffen für alle.
Wie können Eigentümer erfolgreich auf klimaneutrales Heizen umsteigen?
Der Einbau einer neuen Heizung war schon immer ein teures Unterfangen. Jetzt wird die Heizungsmodernisierung mit bis zu 70 Prozent der förderfähigen Kosten unterstützt. Gefördert werden zurzeit eine ganze Reihe von Heiztechnologien auf Basis von mindestens 65% erneuerbarer Energien. Die Wärmepumpe ist neben dem schon erwähnten Wärmenetzanschluss allerdings die gängigste und sinnvollste sogenannte „Erfüllungsoption“ und wird unter bestimmten Bedingungen noch mit 5 % zusätzlich gefördert.
Wer die Entscheidung für die Wärmepumpe einmal getroffen und umgesetzt hat, ist die Heizungssorgen los und kann sich über gesteigerten Wohnkomfort und Energiekostenersparnis freuen. Notwendig sind unter Umständen noch Investitionen in Dämmmaßnahmen z.B. an der obersten Geschossdecke oder Fenster- bzw. Heizkörpertausch. Wenn ein Gebäude 50 Jahre oder älter ist, sind diese Investitionen irgendwann fällig. Zudem sichern sie den Wert des Gebäudes – unsanierte Häuser verkaufen sich inzwischen schlecht.
Der Umstieg auf klimaneutrale Heizungen ist also eine Investition in die Zukunft – für alle Beteiligten?
Eines ist klar: Wenn Deutschland nicht in den Klimaschutz investiert, wird das, wie in anderen Ländern auch, sehr teuer. Einer aktuellen Studie des BMWK zufolge kosten die Folgen des Klimawandels bis 2050 alleine unser Land im günstigsten Fall 280 Mrd. € und im schlimmsten 900 Mrd. €. Die Wärmewende ist damit, wie die Energiewende insgesamt, ein Gesellschaftsprojekt, das dem Erreichen der Klimaschutzziele zum Wohle aller dient. Es befreit uns zudem von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und stabilisiert die Energiepreise, da der Faktor der stark schwankenden Erdgas- und Ölpreise nicht mehr so stark ins Gewicht fällt. Der Umstieg auf klimaneutrale Heizungen lohnt sich also sowohl im Hinblick auf den Klimaschutz als auch auf die Wirtschaftlichkeit: sowohl für Kommunen und Netzbetreiber als auch für die Bürger.
Dossiers der Heinrich-Böll-Stiftung zum klimaneutralen Heizen: