Das Thema Nachhaltigkeit ist längst auch in der Baubranche angekommen. Und das ist auch dringend notwendig, ist sie doch für rund 40% des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Ein Umdenken ist also zwingend vonnöten, um zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in Verbindung mit einer deutlichen CO2-Reduktion zu kommen. Warum die Stahlbau-Branche hier schon heute einen wichtigen Beitrag leistet, erklärt Dr.-Ing. Christian Flertmann, Geschäftsführer bauforumstahl e.V.
Dr.-Ing. Christian Flertmann
Geschäftsführer bauforumstahl e.V.
Foto: Christian Flertmann
Herr Dr. Flertmann, welchen Vorteil bietet das Bauen mit Stahl gegenüber dem Einsatz von anderen Materialien wie z.B. Beton?
Das Bauen mit Stahl ist schon heute grüner als andere Bauweisen: In Deutschland und Westeuropa produzierter Profilstahl ermöglicht Tragwerke mit einer CO2– Einsparung von rund 35% gegenüber der typischen Betonbauweise. Stahl punktet gegenüber anderen Baustoffen aber auch durch seine fast grenzenlose Recyclingfähigkeit. Einmal hergestellter Stahl wird in einen unendlichen Kreislauf geführt. Abfälle werden gegen Null reduziert, endliche Ressourcen geschont und der CO2-Fußabdruck reduziert. Stahl kann immer wieder aufs Neue eingeschmolzen und als neues Produkt eingesetzt werden. Die einzige Herausforderung dabei: Der Recyclingprozess ist energieintensiv und zum Teil noch mit der Emission u.a. von CO2 verbunden
Gibt es bereits erste Ansätze, wie der CO2-Fußabdruck beim Recycling von Stahl weiter reduziert werden kann?
Mitglieder des bauforumstahl e.V. weisen in der neuen Umweltproduktdeklaration (EPD) nach, dass die von ihnen produzierten Langprodukte (Walzprofile und Stabstahl) in der Herstellung fast 60 % weniger CO2 ausstoßen als der Marktdurchschnitt der in Deutschland eingesetzten Stahlbauprofile. Die gleichen Baustahlprodukte bieten die stahlerzeugenden Mitglieder noch einmal als speziell CO2-reduzierte Version an, die durch den Einsatz von 100 % grünem Strom beim Schmelzprozess den Wert der Verbands-EPD noch einmal fast halbiert: von 560 kg CO2 auf rund 340 kg pro Tonne Stahl. Beide Varianten sind sofort verfügbar. Auch hier zeigt sich, dass viele Stahlhersteller bereits mitten in der Transformation stecken. Selbst das Ende der Hochofentechnologie ist eingeläutet. Neue Anlagen für das Direktreduktionsverfahren mit Wasserstoff sind schon im Bau. Damit wird sich mit „grünem Wasserstoff“ „grüner Stahl“ herstellen lassen. Das Bauen mit Stahl wird dadurch bei einem ökobilanziellen Vergleich gegenüber anderen Bauweisen noch einmal deutlich attraktiver.
Ein weiterer Nachhaltigkeitsansatz in der Baubranche ist es, gebrauchte Bauteile direkt wiederzuverwenden. Inwiefern ist das mit Stahlbauteilen möglich?
Eine Kreislaufwirtschaft ohne den Zwischenschritt Recycling ist mit Stahl schon heute ideal umsetzbar. Die Wiederverwendung von gebrauchten Stahlbauteilen, zum Beispiel die Demontage einer alten Stahlkonstruktion und die Neumontage in einem aktuellen Stahlbauprojekt, stellt einen sofort umsetzbaren und wirkungsvollen Schritt zur Verbesserung der CO2-Bilanz dar. Auch hier punktet Stahl gegenüber anderen Baustoffen durch seine geradezu perfekten Eigenschaften. Denn Stahlkonstruktionen sind mit ihren lösbaren Verbindungen und den oft standardisierten Bauteilen sowie den genormten Trägerabmessungen besonders für die Wiederverwendung geeignet. Die Herausforderung ist allenfalls, die Regeln zu beachten, die Rechtssicherheit schaffen. Wenn man diese Hürden nimmt und gebrauchten Stahl wiedereinsetzt, ist der Einsatz sofort nahezu CO2-frei. Wir als Verband setzen uns dafür ein, die Wiederverwendung von Stahlbauteilen zu vereinfachen. Heute eingebauter Baustahl wird garantiert CO2-neutral recycelt oder direkt wiederverwendet. Das ist der Grundgedanke jeder Nachhaltigkeitsstrategie: den zukünftigen Generationen Wertvolles hinterlassen, statt unlösbare Probleme.
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