Es ist keine Neuigkeit, dass der Bausektor ein zentrales Handlungsfeld ist, wenn es um die CO2-Vermeidung geht. Im Rahmen der Weltklimakonferenz 2015 hat sich nicht nur die Staatengemeinschaft zum 1,5-Grad-Ziel bekannt. Hier wurde auch das große Potenzial des nachhaltigen Bauens manifestiert – vor sieben Jahren! Und auch die Tatsache, dass enorme Mengen Material, Energie und Abfälle mit der Branche verbunden sind, sollte nicht überraschen.
Dr. Christine Lemaitre
Geschäftsführender Vorstand der DGNB
Dazu reicht es, mit offenen Augen durch unsere Städte zu fahren. Die Frage nach dem Warum stellt sich also schon lange nicht mehr, dafür viel stärker die Frage nach dem Wie. Ich gebe zu, das ist kein besonders positiver Einstieg. Aber ich glaube, er ist wichtig in diesen Zeiten. Denn ich erlebe an vielen Stellen den Diskurs selbst ernannter Expertinnen und Experten, die das Thema des nachhaltigen Bauens als Neuheit deklarieren, die erst noch ergründet werden muss. Ebenso höre ich vonseiten der Lobbyisten, dass wir genauso weitermachen können wie bisher, aber eben innovativ und digital. Wenn wir es ernst meinen, dann sollten wir nicht suggerieren, dass sich nichts ändern wird. Was wir stattdessen brauchen, ist ein ehrlicher Blick auf die relevanten Themen, ein klarer Fokus und systematisches Vorgehen.
Grundsätzlich brauchen wir die Umstellung auf CO2 als Zielgröße in der Planung, der Entscheidungsfindung und in der Gesetzgebung sowie in Förderprogrammen. Zu reduzieren sind dabei die CO2-Emissionen des Betriebs und der Konstruktion, die sogenannten grauen Emissionen. Im Grunde gibt es drei wesentliche Stellschrauben für den klimaschonenden Betrieb: die konsequente Reduzierung des Energiebedarfs durch passive Maßnahmen, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen in der Energieversorgung und der Einbezug des Nutzerverhaltens. Und damit dies auch geschieht, bedarf es Transparenz in Form eines konsequenten Monitorings der Daten und Verbräuche. Hinsichtlich der grauen Emissionen brauchen wir Zielgrößen für die eingesetzten Materialien im Neubau und in der Sanierung. Die effektivsten Hebel ergeben sich im individuellen Projekt. Aber es liegt nahe, dass sich weniger Fläche, Material und Energie positiv auf die Bilanz auswirken.Gerade im Nutzerverhalten und einer entsprechenden Planung liegt besonders viel Klimaschutzpotenzial.
Studien belegen, dass zwischen dem geplanten Energieverbrauch und der realen Nutzung ein großer Performance-Gap besteht. Es braucht hier die nutzerzentrierte Planung und das Nachjustieren während der Nutzungszeit. Des Weiteren ist ehrlich zu hinterfragen, ob Gebäude im Sommer wirklich auf winterliche Temperaturen gekühlt werden müssen, nur um mit Anzug und Pulli zur Arbeit gehen zu können. Worauf es beim klimagerechten Bauen wirklich ankommt, ergründen Bauschaffende schon seit vielen Jahren. Und mit ehrlichem Blick erkennen wir auch, dass das Wissen und die Werkzeuge zur Umsetzung da sind. Das Einzige, was wirklich zählt, ist, dass wir jetzt sehr schnell alle ins Tun kommen – bei der nächsten Planung, der Produktherstellung, dem (Um-)Bau, dem Betrieb und der Nutzung.