Der digitale, vernetzte Bauernhof „4.0“ ist längst keine Science-Fiction mehr, sondern gelebte Praxis: Autonome Lenksysteme, Sensortechnik und Drohnen gehören auf vielen Höfen bereits zur Grundausstattung.
Lea Fließ
Geschäftsführerin Forum Moderne Landwirtschaft
Die meisten Menschen wissen allerdings recht wenig darüber, wie Landwirtschaft heute funktioniert. Eine Unwucht, findet Lea Fließ, Geschäftsführerin des „Forum Moderne Landwirtschaft“ mit Sitz in Berlin. Wer keine Vorstellung davon hat, wie Kohlrabi, Milch und Kotelett heute erzeugt werden, wird von Lebensmitteldebatten schnell verunsichert.
Der typische Landwirt, wie ihn sich viele Deutsche gern vorstellen, lebt auf einem traditionellen Hof in Familienbesitz, ist bodenständig, steht morgens um fünf auf dem Feld …
… und macht noch alles per Hand.
Was stört Sie an diesem Bild?
Das Bild der Landwirtschaft ist häufig romantisiert, bäuerlich, es entspricht in den meisten Fällen einfach nicht mehr der Realität. Ein Landwirt ernährt heute 145 Menschen. 1949 waren es noch zehn. Das schafft nur eine moderne Landwirtschaft, die effizient, effektiv und in höchstem Maße fortschrittlich ist und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Gesellschaft reagiert – und das gilt nicht ausschließlich in Bezug auf die Digitalisierung, auch wenn eine Drohne über dem Feld sicherlich für viele noch ein spektakuläres Motiv ist.
Sondern?
Digitalisierung ist nur ein Ausdruck der Fortschrittlichkeit der modernen Landwirtschaft. Rückblick: Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Landwirtschaft immer massiv gefordert gewesen, Antworten auf drängende gesellschaftliche Fragen zu finden. Erst einmal ging es darum, die Gesellschaft überhaupt satt zu bekommen, später dann darum, günstig zu erzeugen, damit sich alle sozialen Schichten frisches Fleisch, Obst und Gemüse leisten können.
Seit einigen Jahren steht die Frage nach Tierwohl sowie Umwelt- und Ressourcenschutz im Vordergrund. Die moderne Landwirtschaft hat sich mit diesen Fragen deutlich früher als viele andere Branchen beschäftigt und bereits massiv in entsprechende Technologien investiert.
Zum Beispiel?
Der digitale Landwirt kommt mit zehn Prozent weniger Herbiziden und 20 Prozent weniger Treibstoff aus. Dank moderner Melkroboter weiß er heute viel mehr über den Gesundheitszustand seiner Rinder im Stall und kann sich individueller um seine Tiere kümmern.
Landwirte sind offen für Veränderung, Innovation und Investition. Leider kommt das zu wenig in der Bevölkerung an. Andere Branchen sind besser darin, ihren Fortschritt und ihre Erfolge zu zeigen.
Sie sehen also ein Kommunikationsproblem?
Wir sehen, dass sich die Landwirtschaft von der Gesellschaft entfremdet hat. Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn sich diese Lücke im gesellschaftlichen Wissen über die moderne Landwirtschaft verringern ließe – auch im Hinblick auf substanziellere Werturteile und größere Wertschätzung.
Warum ist das so wichtig?
Weil die Ernährungsfrage immer noch eines der zentralsten Themen der Gesellschaft ist. Das betrifft das gesamte Spektrum: von hochwertigem, günstigem Schul- und Kitaessen, das insbesondere für Kinder in struktur- und sozial schwachem Umfeld essenzielle Bedeutung hat, bis hin zu Paleo, Veganismus und anderen Formen der Lifestyle-Ernährung von Gutverdienern.
Grundlage ist immer die Leistung der modernen Landwirtschaft. Beim Thema Essen gilt: Wer mehr über die Erzeugung von Lebensmitteln weiß, trifft die besseren Entscheidungen und wird sich von außen nicht so sehr verunsichern lassen.
Und da sehen Sie Ihre Aufgabe.
Ja. Das Forum Moderne Landwirtschaft ist eine Kommunikations- und Dialogplattform. Wir wollen authentische Einblicke in die moderne Landwirtschaft geben und gleichzeitig die Branche zum Dialog auf Augenhöhe mit der Gesellschaft animieren.