Die Elektromobilität steht an einem entscheidenden Punkt. Reichen die bestehenden Lademöglichkeiten für den Wandel aus – und wie kann die Automobilindustrie auf veränderte Marktbedingungen reagieren?
Die entscheidende Frage ist, ob sich das Elektroauto langfristig durchsetzen wird – und davon bin ich überzeugt.

Michael Halbherr
CEO ABB E-mobility
Herr Halbherr, wie bewerten Sie den Ausbau der Ladeinfrastruktur?
In Deutschland gibt es noch nicht genug Ladestationen. Um den steigenden Bedarf zu decken, müssen wir frühzeitig in neue Standorte investieren – und zwar auch dann, wenn die Auslastung anfangs noch gering ist. Bei uns hängt der Ausbau noch stark von staatlichen Regulierungen und Förderungen ab, während in den USA beispielsweise auch private Unternehmen Milliarden in Ladeinfrastruktur investieren. Das beschleunigt den Prozess.
Aktuell scheint der Absatz von Elektroautos in Deutschland zu stocken. Wie schätzen Sie die langfristige Entwicklung des Elektromobilitätsmarktes ein, und welche Herausforderungen sehen Sie für den Ausbau der Ladeinfrastruktur?
Die entscheidende Frage ist, ob sich das Elektroauto langfristig durchsetzen wird – und davon bin ich überzeugt. Der Markt wird wachsen und die Ladeinfrastruktur muss dafür vorbereitet sein.
Wechselhafte politische Entscheidungen und die schnelle technologische Entwicklung stellen aktuell große Herausforderungen dar. Für Flottenbetreiber kommen Unsicherheiten bezüglich zu tätigender Investitionen und hinsichtlich des Wiederverkaufswerts hinzu. Unsere Industrie ist enorm innovativ und dynamisch. Unternehmen müssen daher genau kalkulieren, auf welche Lösungen sie setzen, damit sich ihre Investitionen amortisieren. In Deutschland braucht es mehr Klarheit und Verlässlichkeit, damit Unternehmen planen können.
Was macht Sie so sicher, dass sich Elektromobilität langfristig durchsetzt?
Elektroautos sind den Verbrennern überlegen. Während ein Verbrennungsmotor etwa 2.000 bewegliche Teile hat, braucht ein Elektromotor nur rund 20. Die Energieeffizienz eines Verbrenners liegt bei 30 %, ein E-Auto kommt auf über 80 %. Und schließlich benötigen E-Autos weniger Wartung und haben eine längere Lebensdauer als Verbrenner. Die Frage ist also nicht, ob sich Elektroautos durchsetzen, sondern wann.
ABB E-mobility bietet zuverlässige und effiziente DC-Ladegeräte für Einzelhandelsstandorte, öffentliche Ladestationen und Flottendepots.
Welche nächsten Schritte sind notwendig, um den Wandel hin zur Elektromobilität weiter voranzutreiben?
Der Schlüssel lautet Innovation. In der hiesigen Automobilindustrie haben Verbrennungsmotoren eine lange Tradition, doch Software ist mittlerweile ebenso wichtig wie klassische Ingenieurskunst. Unternehmen müssen begreifen, dass ein Elektroauto nicht nur ein Auto mit einem anderen Antrieb ist, sondern ein digitales Produkt.
Ein Verbrenner wird ausgetauscht, wenn es ein besseres Modell gibt – bei E-Autos genügt ein Software-Update, um Effizienz und Reichweite zu steigern.
Während in Deutschland noch immer der Maschinenbau dominiert, ist in den USA oder China Software strategisch zentral. Die Hersteller in der EU müssen diese Denkweise adaptieren.
Zurück zur Ladeinfrastruktur. Welche Lösungen sind hier entscheidend?
Es geht um eine nahtlose Mobilitätserfahrung. Laden muss so beiläufig und einfach werden wie Tanken oder Scooter-Fahren. Aktuell gibt es technische Hürden – verschiedene Ladeprotokolle, mangelnde Interoperabilität und zu wenige Schnellladesäulen, besonders in Städten.
Welche Rolle spielt der Einzelhandel beim Ausbau der Ladeinfrastruktur?
Supermärkte und Einkaufszentren haben riesige Parkflächen. Wenn global agierende Einzelhandelsunternehmen ihre Standorte mit Ladepunkten ausstatten, verbessert das die Ladeinfrastruktur massiv und ermöglicht auch den E-Autofahrern, die nicht zu Hause laden können, im Alltag einen einfachen Zugang zu Ladeinfrastruktur. Immer mehr Supermärkte bieten ihren Kunden bereits Lademöglichkeiten an, aber das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.
Muss sich auch das Geschäftsmodell für Ladenetze ändern?
Ja. Wir sind in einer frühen Phase der Elektromobilität, ähnlich der mobilen Telekommunikation vor 20, 30 Jahren. Langfristig muss es für das Laden einheitliche Abrechnungen und transparente Preise geben, ohne zu viele verschiedene Apps oder Bezahlkarten. Elektromobilität muss nicht nur technisch, sondern auch im Alltag einfacher werden. Wenn das Laden mühelos in den Alltag integriert wird, beschleunigt sich der Wandel schneller, als viele heute erwarten. Die Industrie muss diesen Weg konsequent gehen, damit es gelingt.
ABB E-mobility ist ein global agierender Technologie- und Infrastrukturkonzern
mit einer über 150-jährigen Geschichte.
Der Fokus von ABB E-mobility liegt auf Schnellladelösungen – von Destination Charging für Pkw über ÖPNV-Lösungen bis hin zu Megawatt-Ladern für Elektro-Trucks.
Öffentliche Ladeinfrastruktur
Schnellladestationen entlang der Autobahnen.
ÖPNV-Lösungen
Ladeinfrastruktur für Elektrobusse, bei denen höchste Zuverlässigkeit gefordert ist.
Logistik und Flotten
Transport- und Logistikunternehmen elektrifizieren zunehmend ihre Flotten.
Destination Charging
Schnellladepunkte bei Supermärkten oder Einkaufszentren, an denen Kunden ihr Auto während des Einkaufs laden können.
Mehr Informationen finden Sie unter:
www.e-mobility.abb.com